Das europäische Tierarzneimittelpaket

Die neue europäische Verordnung über Tierarzneimittel und die Verordnung über Arzneifuttermittel wurden am 07.01.2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und werden somit ab dem 28.01.2022 zur Anwendung kommen. In einer Reihe von Folgerechtsakten werden in den kommenden Monaten und Jahren weitere Details zu den Zulassungsvorgaben, Produktionsanforderungen oder auch für den Menschen besonders wichtigen Antibiotika geregelt werden. Darüber hinaus sieht die neue europäische Tierarzneimittelverordnung auch die Einrichtung von drei Datenbanken – einer Produktdatenbank, einer Pharmakovigilanz-Datenbank und einer Datenbank über Herstellung und Großhandelsvertrieb – vor.

Zukunftsfähiges Regelwerk

In Deutschland und Europa ist ein zukunftsfähiger Rechtsrahmen essentiell, der die Verfahren rationalisiert, unnötige Bürokratie reduziert und Investitionen in Forschung und Entwicklung fördert, um eine breitere Verfügbarkeit von therapeutischen Optionen anbieten zu können und Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu entwickeln. Eine verstärkte Förderung der Grundlagenforschung und struktureller Maßnahmen zur Forschungsförderung, wie z.B. ein gutes Forschungsnetzwerk oder öffentlich-private Kooperationen zur Tiergesundheit ist notwendig.

Am Ziel oder ein neuer Anfang?

Eine Bewertung des geltenden EU-Rechts stand 2010 am Anfang. Viele Jahre hat Europa daran gearbeitet, das europäische Tierarzneimittelrecht zu überarbeiten und damit einen einheitlicheren, EU-weiten Binnenmarkt mit gleichen Bedingungen zu schaffen. Mit dem abschließenden Votum des Rates am 26.11.2018 in Brüssel wurde der Beratungs- und Verhandlungsprozess für Tierarzneimittel und Arzneifuttermittel abgeschlossen. Nach einer dreijährigen Übergangsfrist finden die neuen Verordnungen und sekundäre Rechtsakte 2022 in allen Mitgliedstaaten Anwendung finden.

Die Erwartungen der Europäischen Kommission an die Novelle des europäischen Rechts und Kernforderungen der Industrie waren von Beginn an klar definiert. So sollten Tierarzneimittel in einem harmonisierten Markt besser verfügbar werden. Neue Anreize sollten die Wettbewerbsfähigkeit verbessern sowie Innovationen vorantreiben. Vor allem aus Sicht der Industrie wurde zudem der Abbau bürokratischer Hürden als wichtiges Ziel formuliert. So groß die Einigkeit bei den übergeordneten Zielen war, so heftig wurde um einzelne Regelungen im Detail zwischen Europäischem Rat, Kommission und Parlament gerungen wie die lang anhaltenden Beratungen zeigten. Aus Sicht der Tiergesundheitsindustrie wurden wichtige Forderungen zum Binnenmarkt und zur Stimulation von Innovation nur teilweise umgesetzt. Weiterhin bleibt es bei einem Nebeneinander verschiedener Zulassungsverfahren. Zwar wird das zentrale Zulassungsverfahren unter Federführung der europäischen Zulassungsbehörde EMA, das bisher nur innovativen Produkten vorbehalten war,  für alle Produkte geöffnet, parallel bleiben aber die anderen Zulassungsverfahren mit allem administrativen Aufwand bestehen. Der die Innovation stimulierende Schutz von Zulassungsunterlagen wurde in gewissem Rahmen verbessert. In der praktischen Umsetzung hat sich gezeigt, dass viele der neuen Regelungen zur Kennzeichnung von Tierarzneimitteln, Bearbeitung von Änderungsanzeigen und zu den Abläufen im Prozess der Überwachung von Produkten auf dem Markt (Pharmakovigilanz) nicht die erhofften Erleichterungen gebracht haben. Eine große Bürde liegt für den Sektor im Aufbau von umfangreichen europaweiten Datenbanke. Die Konsequenzen der skizzierten Anpassungen hinsichtlich der Umweltsicherheitsprüfung lassen sich derzeit noch nicht abschätzen. Umfassende Regelungen wurden zur Zulassung und Anwendung von antimikrobiellen Mitteln festgelegt.

Tiergesundheit nicht ausbremsen: Rahmen für moderne Lösungen zur Tiergesundheit schaffen – Faktenbasierte Risikobewertung erforderlich

Die Nutztierhaltung ist ein wichtiger Teil der Landwirtschaft, denn sie versorgt die Bundesbürger mit wichtigen Nahrungsmitteln. Tiere und Produkte vom Tier aus Deutschland sind im Ausland sehr begehrt, weil sie mit anerkannt hohen Standards erzeugt werden.  

Für eine verantwortungsbewusste Haltung sind optimale Hygiene, Krankheitsprävention und Therapien unerlässlich. Sie helfen nicht nur, eine produktive Landwirtschaft zu erhalten, sondern auch Gesundheitsrisiken für Menschen und Folgekosten von Infektionen zu vermeiden. Um diesen Standard jetzt und in Zukunft erhalten zu können, sind innovative Tierarzneimittel unverzichtbar. Nur so können neue Herausforderungen für die Tiergesundheit gelöst werden. Dazu zählen beispielsweise bisher in Europa unbekannte Krankheitserreger und Vektoren wie Zecken oder Mücken, die wegen des Klimawandels auch in unseren Regionen geeignete Bedingungen vorfinden, oder auf anderem Wege eingeschleppte Erreger. 

Trotz der wichtigen Funktionen ist der Tierarzneimittelmarkt im Verhältnis zu anderen Branchen klein und durch die Zahl der Tierarten und assoziierten Krankheiten stark fragmentiert. Dennoch zeichnet sich die Branche dadurch aus, dass sie nachhaltig wächst und eine hohe Innovationskraft besitzt. Darüber hinaus ist die Tierarzneimittelbranche durch einen fortschreitenden Konsolidierungsprozess gekennzeichnet. Dies ist die Voraussetzung, um weiterhin am Markt erfolgreich bestehen zu können. Es ist die Aufgabe der Politik, die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Tiergesundheitsindustrie ihre Aufgaben weiterhin erfüllen kann. Dazu gehören ein positives Umfeld für die Entwicklung innovativer Technologien, der Abbau unnötiger Bürokratie, verlässliche, klar definierte Anforderungen und eine faktenbasierte Bewertung im Rahmen des Zulassungsverfahrens. Dies ist notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland und damit das Angebot hoch qualifizierter Arbeitsplätze erhalten zu können. 

Für die Erforschung antimikrobieller Resistenzen und die Entwicklung neuer Antibiotika wurden für die Humanmedizin umfangreiche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Derartige Forschungsgelder sind für die Tiermedizin gleichfalls erforderlich, etwa um das bestehende Antibiotikaresistenz-Monitoring systematischer aufzubauen und wichtige klinische Grenzwerte zur Beurteilung der Erregerempfindlichkeit sowie geeignete Schnelltests für den Tierarzt in der Praxis zu entwickeln. Darüber hinaus sind Investitionen notwendig, um Alternativen zur Gesunderhaltung der Tiere zu erforschen.  

Die Gesellschaft reagiert oft skeptisch auf innovative Technologien. Wie eine Umfrage in verschiedenen europäischen Ländern zeigte, begründet sich dies durch die oftmals lückenhafte Kenntnis über den Nutzen von Tierarzneimitteln für die Gesunderhaltung von Nutz- und Hobbytieren. Vor allem bei der Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft stoßen Tierarzneimittel auf Ablehnung. Daraus ergeben sich oftmals wenig fachlich fundierte Forderungen seitens der Gesellschaft, die aber nicht auf Zulassungskriterien der Zulassungssysteme durchschlagen dürfen.