BfT Special Nr. 31 / Februar 2004


Das aktuelle Interview - „Sinnvolle nationale Spielräume müssen erhalten bleiben“

- Weichenstellung für die nächsten Jahre erfolgt jetzt
- Industrie forciert Programme zur Arzneimittelsicherheit
- Kompetenzen ausschöpfen

Die unternehmerischen Entscheidungen der Tiergesundheitsindustrie zur Entwicklung von neuen Produkten werden zukünftig mehr denn je in einem internationalen Kontext zu treffen sein. Der Blickpunkt sprach mit Dr. Martin Schneidereit, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Tiergesundheit (BfT), über die Themen, die für die Industrie in den nächsten Jahren von besonderer Bedeutung sein werden.

BLICKPUNKT: Die europäische Union wird größer und wächst weiter zusammen. Die Tierarzneimittelgesetzgebung wird derzeit einem Review unterzogen. Welche Änderungen sind für die Industrie von besonderer Bedeutung?

Dr. Schneidereit: Bei der Weiterentwicklung der europäischen Tierarzneimittelgesetzgebung hat die Sicherung eines ausreichenden Datenschutzes für neue Produkte oberste Priorität. Nur ein ausreichend langer Verwertungsschutz ermöglicht die wirtschaftlich sinnvolle Entwicklung neuer Produkte.
Die Dauer des Datenschutzes muss dabei nicht nur die aufwendigen Entwicklungszeiten und -kosten, sondern auch den zeitlichen Aufwand für eine entsprechende Marktdurchdringung berücksichtigen. Hier scheinen sich gangbare Regelungen abzuzeichnen.

BLICKPUNKT: Kritisch diskutiert wird auf europäischer und nationaler Ebene die Frage der „Zwangsharmoni­sierung” bei der Verschreibungspflicht. Wie sollte hier eine sinnvolle Regelung aussehen?

Dr. Schneidereit: Der BfT vertritt eine sehr eindeutige Meinung. Sinnvoll kann nur sein, funktionierende nationale Systeme zu erhalten. Tiefgreifende Veränderungen bestehender Distributionswege würden sich unmittelbar negativ auf die Arzneimittel- und Verbrauchersicherheit auswirken. Für Deutschland heißt dies konkret, auch zukünftig den Tierarzt im Rahmen des Dispensierrechtes einzubinden, für andere Staaten können andere Distributionswege die bessere Lösung darstellen. Es gibt bei diesem Thema eben nicht nur eine Wahrheit.

BLICKPUNKT: Derzeit wird auf nationaler Ebene die 13. AMG-Novelle erarbeitet, die zum Teil Regelungen der noch jungen 11. AMG-Novelle ersetzen soll. Warum wurde diese schnelle Nachbesserung notwendig?

Dr. Schneidereit: Die 11. AMG-Novelle hat sich sehr schnell als für die Praxis zu starr erwiesen und dies vor allem mit Blick auf die 7-Tage-Regelung. Der Aufwand für eine angemessene Versorgung mit Tierarzneimitteln und Impfstoffen wurde insgesamt zu hoch. Insofern ist jetzt eine „Reparatur-Novelle” in Arbeit, die die Vorschriften den Praxisnotwendigkei­ten besser anpassen soll. Wir begrüßen deshalb die 31-Tage-Regelung zur Abgabe von Tierarzneimitteln, die für laufende oder wiederkehrende Behandlungen gelten soll.

Es muss dem Tierarzt mit seiner fachlichen Kompetenz überlassen bleiben, nach erfolgter Diagnose und im Rahmen eines Behandlungsplanes entsprechende Arzneimittel abzugeben und die notwendige Behandlungsdauer festzulegen. Diese Behandlungspläne können dokumentiert und so transparent gemacht werden, dass eine Überwachung jederzeit möglich ist. Speziell für den Einsatz von Antibiotika sieht die Novelle ohnehin zusätzliche Kontrollmaßnahmen vor.

Positiv ist auch, dass die Übergangsfrist für die Auftragsherstellung von Fütterungsarzneimitteln um ein Jahr verlängert werden soll. Diese Zeit muss genutzt werden, um einen zuverlässigen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der es den Fütterungsarzneimittelherstellern erlaubt, einen Herstellerstatus nach § 13 AMG einzurichten.

BLICKPUNKT: Nach wie vor liefert der Einsatz von Antiinfektiva und die Gefahr von Antibiotikaresistenzen ausreichend Diskussionsstoff. Gibt es hier zukunftsträchtige neue Ansätze?

Dr. Schneidereit: Die Industrie ist sich hier ihrer Verantwortung bewusst und hat deshalb ein firmenübergreifendes Forschungs- und Untersuchungsprogramm aufgelegt. Mit dem sogenann­ten BfT-GermVet-Programm, das Mitte des vergangenen Jahres gestartet wurde, soll die Resistenzsituation von veterinärpathogenen Erregern erfasst werden. Derzeit werden Stämme von rund 30 relevanten krankmachenden Keimen gesammelt und ihr Resistenzverhalten gegen die zugelassenen Antibiotika-Wirkstoffe getestet. Erste Ergebnisse aus Pilotuntersuchungen zeigen, dass im Veterinärbereich insgesamt eine vergleichbar günstige Resistenzsituation anzutreffen ist.

BLICKPUNKT: Wenn Sie in wenigen Worten eine zukunftsweisende Strategie für den gesamten Bereich der Tierarzneimittel beschreiben sollten, wie würden Sie diese formulieren?

Dr. Schneidereit: In dem Bewusstsein, dass Erfolg immer auf der optimalen Verteilung und Nutzung von Kom­petenzen beruht: Die Industrie entwickelt und stellt her, die Behörde prüft und erteilt die Zulassung, der Tierarzt wendet an und der Landwirt produziert auf dieser Basis sichere Lebensmittel tierischer Herkunft.


Zitate:

„Im Veterinärbereich ist eine vergleichbar günstige Resistenzsituation anzutreffen.“
„Kompetenzen müssen ausgeschöpft werden.“
„Sicherung des Datenschutzes hat oberste Priorität.“