BfT Special Nr. 33 / Oktober 2004
Das aktuelle Interview - Europäische Tierarzneimittelindustrie will aktiv gestalten
Pharmakovigilanz greift europaweit
• Handlungssicherheit für Hersteller und Anwender
Die „gute Pharmakovigilanz-Praxis” wurde jetzt seitens der europäischen Tiergesundheitsunternehmen in einem neuen Leitfaden zur praktischen Umsetzung ausführlich erläutert. Es wird deutlich, dass das System von allen Beteiligten ein hohes Maß an Verantwortlichkeit und Kommunikationswillen erfordert. Der Blickpunkt sprach mit Dr. Wolfgang Traeder, Pfizer GmbH und Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakovigilanz des BfT, über die Chancen des überarbeiteten Meldesystems und über die Bereitschaft der europäischen Tierarzneimittelindustrie, die Weiterentwicklung der Pharmakovigilanz aktiv mitzugestalten.
BLICKPUNKT: Was ist neu am überarbeiteten Pharmakovigilanz-System?
Dr. Traeder: Das Pharmakovigilanz-Meldesystem besteht für Tierarzneimittel seit ca. 10 Jahren. Es wurde seitdem immer wieder modifiziert und ausgebaut. Mit der 12. Novelle zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, die seit August dieses Jahres in Kraft getreten ist, wurden die europäischen Richtlinien in deutsches Recht übernommen. Erstmals werden jetzt auch Informationen zum Resistenzmonitoring, die Risiko-Nutzen-Kalkulation sowie die Einbeziehung von Umweltbelastungen beim Einsatz von Tierarzneimitteln bei Gruppenbehandlung berücksichtigt. Ein größeres Gewicht wird auch auf die möglichen Risiken bei der Anwendung von Tierarzneimitteln gelegt. Einbezogen sind neuerdings unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die während klinischer Studien oder Anwendungsbeobachtungen auftreten.
Neu ist auch die sog. Eudravigilanz. Hierunter wird ein elektronisches Meldesystem verstanden, das ab 1. Januar 2005 von den Behörden zur Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder Reaktionen untereinander benutzt wird. Ab Januar 2006 werden dann auch die pharmazeutischen Hersteller in dieses elektronische Meldesystem einbezogen. Dadurch wird sichergestellt, dass alle in Europa beteiligten Länder sehr rasch die Informationen zu möglichen Risiken oder Reaktionen erhalten.
BLICKPUNKT: Welchen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit können speziell die praktizierenden Tierärzte leisten?
Dr. Traeder: Mit der Quantität und vor allem Qualität der Berichte der praktizierenden Tierärzte steht und fällt das gesamte Pharmakovigilanz-Meldesystem. Die Berichte sollen möglichst unmittelbar nach dem Auftreten erfolgen und alle relevanten Basisdaten enthalten, wie z.B. Angaben zum Tier oder zum verwendeten Futter. Nur so ist sichergestellt, dass weitergehende Untersuchungen zur Abklärung durchgeführt werden können.
Oft ist es leider so, dass Meldungen Wochen oder gar Monate – und das häufig unvollständig – nach dem Ereignis erfolgen. Zur Klärung der Fragen, ob das oder die Arzneimittel ursächlich für das Auftreten einer unerwünschten Wirkung oder Reaktion direkt oder eine Interaktion (Wechselwirkung) zwischen den gleichzeitig verabreichten Arzneimitteln infrage kommt, fehlen dann erkrankte oder verendete Tiere für Laboruntersuchungen oder Sektionen.
Das Interesse von Meldungen beschränkt sich auch leider in vielen Fällen nur auf einen finanziellen Ausgleich des eingetretenen Schadens und weniger auf die fallbezogene wissenschaftliche Aufklärung. Diese Aufgabe wird immer noch als alleinige Angelegenheit des pharmazeutischen Unternehmers angesehen. Hier müssen Industrie und Behörde gemeinsam noch Aufklärung über den Sinn des Pharmakovigilanz-Meldesystems bei Tierärzten und Tierhaltern betreiben.
BLICKPUNKT: Welche Vorteile haben Tier, Tierärzte und Hersteller durch das System?
Dr. Traeder: Wenn alle Beteiligten ihrer Verantwortung zur Meldung von vermuteten unerwünschten Wirkungen und Reaktionen nachkommen, können Tiere, Tierärzte und pharmazeutische Unternehmer nur gewinnen. Wir erreichen dann einen noch nie da gewesenen Grad an Wirksamkeit und Verträglichkeit unserer Tierarzneimittel zum Wohle der Patienten und der Anwender von Tierarzneimitteln. Die praktizierenden Tierärzte müssen begreifen, dass ein „off-label use” nicht negative Auswirkungen der Überwachungsbehörden zur Folge hat, sondern hilft, besser zu verstehen, wie eine pharmazeutisch wirksame Substanz von anderen Tierarten vertragen wird. Erst wenn begriffen wird, dass Pharmakovigilanz einen unverzichtbaren Teil der Arzneimittelsicherheit darstellt, wird das System seiner wahren Bedeutung gerecht. Alle werden dann den Nutzen aus diesem Meldesystem haben.
BU: Dr. Wolfgang Traeder
Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakovigilanz des BfT
Zitate:
„Aufklärungsarbeit muss geleistet werden.”
„Pharmakovigilanz ist unverzichtbar für die Arzneimittelsicherheit.
Terminhinweis
Im Rahmen des diesjährigen BPT-Kongresses in Nürnberg werden Dr. Wolfgang Traeder und Dr. Cornelia Ibrahim, BVL Berlin, ein ausführliches Referat zum Thema halten.
Der Themenblock wird am 5. November von 17.00 Uhr bis 17.45 Uhr in der Frankenhalle im Komplex „Vorträge Kleintiere” und hier Themenkreis Arzneimittelsicherheit angeboten.