BfT Special Nr. 34 / Februar 2005
Das aktuelle Interview - Wie transparent sind die Zulassungswege von Tierarzneimitteln?
Verschärfung des Arzneimittelrechts führte zu Verfahrensänderungen • Antworten auf offene Fragen müssen kommuniziert werden • Insgesamt mehr Verantwortlichkeit für Hersteller und Anwender
In den vergangenen Jahren kam es in der tierärztlichen Praxis immer wieder zu Irritationen hinsichtlich der Zulassung und Verkehrsfähigkeit bei Arzneimitteln für Lebensmittel liefernde Tiere. Warum z.B. verschiedene Tierarzneimittel innerhalb weniger Tage einmal als nicht mehr verkehrsfähig und dann wieder als voll anwendbar eingestuft wurden, darüber sprach der Blickpunkt mit Dr. Martin Schneidereit, Geschäftsführer des BfT.
BLICKPUNKT: Welches waren in der Vergangenheit die Gründe für den „Schlingerkurs” bei der Zulassung von Tierarzneimitteln?
Dr. Schneidereit: Das europäische und nationale Arzneimittelrecht unterlag in den vergangenen Jahren erheblichen Änderungen. Zum einen betrifft dies die verbindliche Festsetzung von Rückstandshöchstmengen (MRLs) für alle Wirkstoffe, die bei Lebensmitteltieren angewendet werden. Des Weiteren hat die Nachzulassung nach nationalem Arzneimittelgesetz, vor allem als Folge der 10. AMG-Novelle, wesentlich Einfluss genommen. Zu tiefgreifenden Änderungen kam es darüber hinaus durch die Einstufung Deutschlands als BSE-Land.
BLICKPUNKT: Welche Änderungen gab es konkret bei der verbindlichen Festsetzung von Rückstandshöchstmengen?
Dr. Schneidereit: Tierarzneimittel, die zur Behandlung Lebensmittel liefernder Tiere eingesetzt werden dürfen, erfordern wissenschaftliche Unterlagen, die nachweislich belegen, dass alle Auflagen hinsichtlich Wartezeit, Unbedenklichkeit etc. erfüllt werden. Die Erarbeitung dieser Dossiers erfordert sehr viel Zeit. Die Verordnung 2377/90/EG hat diese Schwierigkeiten berücksichtigt und die Vorlage vorläufiger MRLs in Anhang III vorgesehen. Diese vorläufigen MRLs mussten spätestens innerhalb von 5 (in Ausnahmefällen 7) Jahren in endgültige MRLs durch Vervollständigung der Unterlagen umgewandelt werden.
In der Folge wurden auf Grund der hohen Datenanforderungen nicht alle vorläufigen MRLs in endgültige MRLs umgewandelt, so dass zu unterschiedlichen Stichtagen einige Wirkstoffe vom Markt gehen mussten. Dazu kam eine zeitweilige Verzögerung durch zu späte Publikation der MRLs im Europäischen Amtsblatt als Voraussetzung für die Wiederanwendung der Produkte, so dass aus formalen Gründen einzelne Wirkstoffe z. T. für wenige Wochen zwar verkehrsfähig waren, aber nicht angewendet werden durften.
BLICKPUNKT: Welchen Einfluss hat die neu geregelte Nachzulassung nach nationalem AMG auf die Markttransparenz?
Dr. Schneidereit: Einen wesentlichen Einfluss auf die Gesamtzahl der Tierarzneimittel hat die jetzt im Abschluss befindliche Nachzulassung nach nationalem AMG. Mit der Verabschiedung der 10. AMG-Novelle wurden neue Anforderungen für die Einreichung von wissenschaftlichen Unterlagen zu den Produkten festgelegt. Zusätzlich wurde im AMG die Möglichkeit eröffnet, unter Verzicht auf die Zulassung eine Abverkaufsfrist bis zum 30.06.2003 nutzen zu können. Naturgemäß wurden von den Unternehmen hier unterschiedliche Strategien gefahren, so dass besonders bei generischen Produkten einzelne Firmen ihre Wirkstoffe in Abverkauf stellten, andere Firmen jedoch diese Wirkstoffe im Nachzulassungsverfahren hielten. Für diese im Verfahren verbliebenen Produkte besteht weiterhin die Verkehrsfähigkeit, bis von Seiten der Zulassungsbehörde eine endgültige Zulassung oder das Versagen der Zulassung erteilt ist. Seitens der Unternehmen ist dieser Zeitpunkt nicht bestimmbar. Im Markt betraf dies insbesondere einige generische Antibiotika. BLICKPUNKT: Zu welchen Änderungen kam es durch die Einstufung Deutschlands als BSE-Land im Jahr 2000?
Dr. Schneidereit: Dies hat zu tiefgreifenden Änderungen bei der Sicherheitsbewertung von einigen Produkten, die biologische Bestandteile enthalten, geführt. Das unterschiedliche Vorgehen der Überwachungsbehörden im föderalen Deutschland hat hierbei ein Übriges getan. So wurden in einzelnen Regierungsbezirken im Süden Deutschlands unmittelbare Rückrufe angeordnet, während in anderen Bundesländern keine unmittelbare Gefahr für den Menschen gesehen wurde, nachdem sich diese Produkte teilweise seit mehreren Jahrzehnten in tierärztlicher Anwendung befunden hatten.
BLICKPUNKT: Was werden die nächsten Jahre bringen?
Dr. Schneidereit: Ohne Zweifel hat sich der Tierarzneimittelmarkt konsolidiert. Entscheidende gesetzliche Regelungen sind inzwischen umgesetzt. Allerdings werden die Regelungen der europäischen Richtlinie 2004/28/EG in einigen Bereichen weitere Änderungen bringen. So ist nicht auszuschließen, dass die Einführung der generellen Verschreibungspflicht für Lebensmitteltierprodukte zu Inkonsistenzen beim Zulassungsstatus der Produkte führen kann. Auch die Neuregelungen für Pferdearzneimittel mit Wirkstoffen ohne MRL und die Intensivierung der Pharmakovigilanz könnten in Einzelfällen zu gesetzlich angeordneten Mitteilungen über die Änderung des Zulassungsstatus durch die Unternehmen führen.