BfT Special Nr. 37 / Februar 2006


Das aktuelle Interview - Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz weiter voranbringen

Der Präsident des Bundesverbandes für Tiergesundheit (BfT), Dr. Dieter Schillinger, hat mit Beginn des Jahres die Leitung der Abteilung Public Affairs von Merial für die Regionen Europa, Afrika und den Mittleren Osten übernommen. Von der engen Einbindung in internationale Entwicklungen werden auch der BfT, und damit die gesamte deutsche Tiergesundheitsindustrie, profitieren. Der Blickpunkt sprach mit Dr. Dieter Schillinger über seine neuen Aufgaben und Ziele.

BLICKPUNKT: Herr Dr. Schillinger, wir gratulieren Ihnen zu Ihrer neuen Aufgabe im internationalen Management von Merial und Ihrem Wechsel in den Bereich Public Affairs des europäischen Headquarters von Merial in Lyon. Was genau ist unter Public Affairs (PA) zu verstehen?

Dr. Schillinger: Das Deutsche Institut für Public Affairs (DIPA) definiert diese Funktion als das strategische Management von Entscheidungsprozessen an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. PA organisiert die externen Beziehungen einer Organisation, vor allem zu Regierungen, Parlamenten, Behörden, Gemeinden sowie Verbänden und Institutionen – und zur Gesellschaft selbst.

Bei Public Affairs handelt es sich, zumindest in Europa, um eine relativ junge Disziplin. Die Intensivierung von PA Aktivitäten ist eng mit der Entstehung und Entwicklung der EU verbunden. Ein Beispiel: Die Stärke der landwirtschaftlichen Interessenvertretung in der EU basiert neben der Arbeit der nationalen Verbände im Wesentlichen darauf, dass die europäische Landwirtschaft mit der COPA, dem Dachverband der europäischen Landwirtschaft, einen der ersten europäischen Interessenverbände gegründet hat und zwar bereits bevor die EU entstand. Die COPA hatte somit die Möglichkeit, vom Beginn an die Entwicklung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik mitzugestalten.

Heute sind mehrere tausend Interessenvertreter von Verbänden, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen in Brüssel aktiv.

BLICKPUNKT: Neben der erwähnten Landwirtschaft sind insbesondere Industriezweige wie die Telekommunikation, Energiewirtschaft und Hightech-Branchen bekannt dafür, dass sie stark auf Public Affairs Aktivitäten setzen. Warum ist es für Unternehmen der Tiergesundheitsindustrie wichtig, in den Bereich Public Affairs zu investieren?

Dr. Schillinger: Die von Ihnen genannten Industriezweige sind alles Branchen, die einer starken Regulierung ausgesetzt sind. Ähnliches trifft auch auf die Tiergesundheitsindustrie zu, da diese im Spannungsfeld Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz tätig ist. Nur wenn es gelingt, Richtlinien zu entwickeln, die zum einen den Ansprüchen kritischer Konsumenten und Tierhalter entsprechen, andererseits aber auch den Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen einräumen, können diese Unternehmen auf dem globalen Markt erfolgreich bestehen.

BLICKPUNKT: Welche Möglichkeiten zur Einwirkung haben die Tierarzneimittel-Unternehmen?

Dr. Schillinger: Wie auch andere Interessengruppen, so z.B. die Tierärzte mittels des Verbandes europäischer Tierärzte (FVE), versuchen die Firmen in erster Linie über die nationalen, europäischen und internationalen Verbände das politische und gesellschaftliche Umfeld mit zu gestalten.

So ist der BfT auf nationaler Ebene in rechtliche und politische Entscheidungsprozesse eingebunden. Der BfT, wie auch die meisten internationalen Firmen, ist wiederum in dem weltweiten Industrieverband IFAH (International Federation of Animal Health) und dem europäischen Tiergesundheitsverband IFAH-Europe Mitglied.

Über die Verbandsarbeit hinaus kann ein Unternehmen versuchen, spezifische Firmeninteressen über eigene Mitarbeiter vertreten zu lassen, so wie das mein Auftrag bei Merial ist. Natürlich haben auch einige andere internationale Tierarzneimittelunternehmen Public Affairs-Beauftragte. Ich bin überzeugt, dass in Zukunft im Bereich von Public Affairs die Bildung von ad hoc Allianzen von großer Bedeutung sein wird.

BLICKPUNKT: Herr Dr. Schillinger, Sie waren ja bereits bisher als Präsident des BfT in die Verbandsarbeit eingebunden, wie ändert sich dieses Engagement auf Grund Ihrer neuen Public Affairs Verantwortung?

Dr. Schillinger: In der Doppelrolle Geschäftsführer der Merial GmbH und Präsident des BfT blieb oft nur eingeschränkt Zeit, sich in die vielzähligen und umfangreichen Entwürfe von Gesetzesänderungen, Richtlinien und Verordnungen aktuell und ausreichend einzuarbeiten. Dies wird in Zukunft erste Priorität meiner Arbeit sein. Innerhalb von IFAH-Europe werde ich künftig in Brüssel mitarbeiten. Meine Aufgabe ist es, einen internationalen Blick zu entwickeln und weltweite Trends früh einschätzen zu können.

BLICKPUNKT: Wer außer Merial profitiert davon, dass sich der Schwerpunkt Ihrer Arbeit in den Public Affairs-Bereich verlagert hat?

Dr. Schillinger: Wie sich aus dem Vorausgesagten ableiten lässt, wird sich mein Wissen über die politischen Entwicklungen in Deutschland und Europa spezifisch verbessern. Davon profitiert neben Merial natürlich auch der BfT, wo ich mich als Präsident weiterhin einbringen möchte.

BLICKPUNKT: Was ist Ihre Vision in der Doppelrolle Public Affairs Manager bei Merial und Präsident des BfT?

Dr. Schillinger: Der französische Premier Villepin hat sich kürzlich als ‚Interventionist’ bezeichnet. In Bezug auf meine Rolle in der Tiergesundheit würde ich mich gerne ebenso sehen. Intervenieren möchte ich als ,sich vermittelnd einschalten’ interpretieren. Ich möchte dazu beitragen, dass alle Beteiligten im Bereich der Tiergesundheit – Tierhalter, Tierärzte, Behörden und Universitäten – gemeinsam den Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz weiter voranbringen.