BfT Special Nr. 38 / Juni 2006


Der Mensch ist dafür geschaffen, mit Tieren zu leben

Neue gesellschaftliche Trends verändern Hobbytiermarkt • Tiere fördern menschliche Kontakte und soziale Interaktionen

Tiere als Begleiter des Menschen in einer älter werdenden Gesellschaft standen im Mittelpunkt einer Vortragsveranstaltung, die im Rahmen der diesjährigen BfT-Mitgliederversammlung in Stuttgart neue Sichtweisen und Ausblicke auf die Zukunft lieferte.

Uwe Friedemann von TheConsumer View GmbH stellte in seinem Referat ein Projekt vor, mit dem auf der Basis zuverlässiger statistischer Erhebungen die Entwicklung des Heimtiermarktes prognostiziert werden sollte. Ausgangspunkt für die Projektion bis 2010 ist der Status Quo 2005. Laut diesen Zahlen halten derzeit 13,4 Prozent aller deutschen Haushalte einen Hund, das sind 5,3 Mio. Tiere. "Bei der Entscheidung für den Hund sind in den letzten Jahren funktionale Gründe in den Hintergrund getreten. Vielmehr soll der Hund als Familienmitglied und ständiger Begleiter helfen, den Tagesablauf besser zu strukturieren", erläuterte Uwe Friedemann. Das beliebteste Haustier aber ist die Katze mit 7,6 Mio. Tieren, darüber hinaus haben Kleintiere einen festen Platz vor allem in Familien mit Kindern gefunden. Ob Hund, Katze oder Maus – immer häufiger übernehmen die "tierischen" Familienmitglieder soziale Aufgaben. Dies können gesundheitliche Aspekte ("Gassi gehen"), kommunikative Aspekte (besser mit der Einsamkeit fertig werden) oder erzieherische Aspekte (Verantwortung übernehmen) sein.

Bei der Einschätzung, wie sich der Hobbytiermarkt bis 2010 verändern wird, bewertete die Untersuchung mögliche Entwicklungen der Schlüsselfaktoren Konsumkraft, Mobilität, Haushaltsstruktur, individuelle Lebensphase und Raumangebot. Darüber hinaus wurden verschiedene Szenarien möglicher gesellschaftlicher Entwicklungen berücksichtigt.

Vom "wir" zum "ich"

Tendenziell entwickelt sich unsere Gesellschaft von einer "Wir"- zur "Ich"-Gesellschaft mit stark ausgeprägten individualistischen Zügen. Im Vordergrund stehen Werte wie Karriere, Lifestyle oder persönliche Freiheit. Familie und Solidargemeinschaft dagegen treten mehr und mehr in den Hintergrund. "Das Heimtier wird deshalb zunehmend als Partner-Ersatz und Status-Symbol dienen", so die Einschätzung Friedemanns. "Und dem Drang nach Individualismus kommt die Katze sehr entgegen. Wir schätzen, dass die Zahl der Katzen in den Haushalten bis 2010 weiter zunehmen wird. Der Hund wird seinen heutigen Stellenwert in etwa halten, die Zahl der Vögel und sonstigen Kleintiere wird stark sinken. Man kann aber davon ausgehen, dass Tierhalter bereit sein werden, mehr in Pflege und Gesundheit ihrer Tiere zu investieren. Die Industrie steht nun vor der Aufgabe, rechtzeitig auf die sich verändernden Trends mit entsprechenden Konzepten und Angeboten zu reagieren", so der Referent abschließend.

Gut für die Seele

Welchen Stellenwert das Heimtier in einer immer älter werdenden Gesellschaft einnehmen wird, beleuchtete Prof. Dr. Erhard Olbrich. In einer Vielzahl von Studien konnte nachgewiesen werden, dass Menschen, die Tiere halten, weniger häufig erkranken, seltener den Arzt aufsuchen oder nach einer Erkrankung schneller genesen. Diese Gesundheitseffekte sind am besten sozial-psycho-somatisch zu erklären. "Tiere können soziale Katalysatoren sein", so Olbrich. "Menschen, die sich mit Tieren umgeben, entwickeln ein ausgeprägteres Selbstbewusstsein und genießen bei ihren Mitmenschen einen Sympathiebonus." Vor allem alte Menschen können davon profitieren. "Beim Umgang mit Tieren werden beim Menschen "archaische" Schichten berührt und emotionale Bedürfnisse befriedigt", so ein Statement des Referenten. Tiere reagieren wert- und vorurteilsfrei auf menschliches Verhalten und erlauben direkte körperliche Nähe. Eine Vielzahl von Untersuchungen in Altersheimen und mit Alzheimer-Patienten untermauert diese Aussage. "Tiere fördern das Bedürfnis, sich mitzuteilen, mit der Umwelt zu kommunizieren und bewirken, dass so genannte zivilisatorische Kontrollen außer Kraft gesetzt werden. Die Folge: Mehr Lächeln, mehr Berührungen und mehr Interaktion – all das ist gesund!"