BfT Special Nr. 40 / Februar 2007


Kommentar - Empirie und Wissenschaft

Die EU-Kommission hat mit einstimmigem Votum der Mitgliedstaaten eine Verordnung verabschiedet, in der 71 "unverzichtbare Wirkstoffe" für Pferde aufgenommen sind. Sie dürfen künftig ohne arzneimittelrechtliche Zulassung und ohne Festlegung toxikologischer Grenzwerte (MRLs) mit einer pauschalen Wartefrist von sechs Monaten beim Pferd und damit bei einer Lebensmittel liefernden Tierart angewendet werden. Die jetzt verabschiedete Liste stellt einen doppelten Systembruch in der Arzneimittelgesetzgebung dar.

Das MRL-Prinzip wird beim Pferd teilweise aufgehoben und die Evidenz basierte Entwicklung von Pferdearzneimitteln wird ad absurdum geführt. Bei diesen 71 Wirkstoffen obliegt es künftig ausschließlich dem behandelnden Tierarzt zu entscheiden, in welcher Dosierung und für welche Dauer nicht zugelassene Wirkstoffe zur Therapie beim Pferd eingesetzt werden. Die Pferdemedizin erhebt damit in Teilbereichen eine Erfahrungsmedizin zum Gesetz auf einem Gebiet, wo bisher toxikologische und klinische Studien als Entscheidungskriterium galten. Ob ein Tierarzneimittel beim Pferd angewendet werden darf, entscheidet jetzt Empirie. Pferdepraktiker mögen sich über diese Entscheidung freuen. Einen Beitrag zur Innovation und zu verbessertem Tier- und Verbraucherschutz stellt diese EU-Verordnung nicht dar. (ms)