BfT Special Nr. 46 / Februar 2009
Das aktuelle Interview: Bluetongue – was bringt uns das Jahr 2009?
• Impfkampagne mit guten Erfolgen • Kommen neue Serotypen?
Im Mai 2008 ist in Deutschland flächendeckend die Impfkampagne gegen die Blauzungenkrankheit (BT) bei Schafen, Ziegen und Rindern angelaufen. Dabei wurden neu entwickelte Impfstoffe gegen den Serotyp 8 des Virus eingesetzt. Auch in zahlreichen anderen Mitgliedstaaten wurde die Impfung im vergangenen Jahr eingeführt.
Der Blickpunkt sprach mit Dr. Carolin Schumacher, Leiterin Veterinary Public Health von Merial, über den aktuellen Stand des Seuchengeschehens, über den Erfolg der zurückliegenden Impfkampagne und über mögliche neue Herausforderungen für 2009.
Blickpunkt: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 4.843 Fälle amtlich gemeldet (Stand 12. Dezember 2008, FLI), wobei es sich bei knapp der Hälfte der Infektionen noch um „Altinfektionen“ aus 2007 handelte. Der neuen BT-Saison 2008 wurden rund 2.600 Fälle zugerechnet. In Frankreich traten in 2008 dagegen mehr als 28.000 Fälle auf (Stand November 2008). Wie beurteilen Sie den Erfolg der Impfung in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten?
Dr. Schumacher: Es ist natürlich ein großartiger Erfolg, dass die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland von mehr als 20.000 Fällen im Jahre 2007 auf unter 3.000 Fälle gesenkt werden konnte. Dies ist sicher ganz wesentlich auf die zügige und flächendeckende Impfung zurückzuführen.
Die ca. 10-fach höhere Erkrankungsrate in Frankreich hat zum einen mit einer anderen Impfkonzeption zu tun. Darüber hinaus sollten wir nicht vergessen, dass die Schaf-, Ziegen- und Rinderbestände in Frankreich um ein Deutliches größer sind.
Der französische Landwirtschaftsminister hat am 15. Dezember eine landesweite Impfpflicht eingeführt. Der gesamte Rinder-, Schaf- und Ziegenbestand wird bis zum April 2009 sowohl gegen BTV8 und BTV1 geimpft. Mit dieser Maßnahme will man die Ausbreitung der Blauzungenkrankheit in den Griff bekommen.
Blickpunkt: Im Südwesten und Nordwesten Frankreichs hat sich im vergangenen Jahr auch BTV1 massiv ausgebreitet. Müssen wir künftig auch in Deutschland mit neuen Serotypen und mit Mischinfektionen rechnen?
Dr. Schumacher: Auch wenn in Deutschland der Serotyp 1 noch nicht aufgetreten ist, heißt es nicht, dass wir es in den nächsten Jahren ausschließlich mit dem Serotyp 8 zu tun haben werden. Die Fachwelt ist sicher, dass ein Einschleppungsrisiko auch für andere Serotypen besteht.
Bei der Entwicklung von Blauzungenimpfstoffen müssen wir uns selbstverständlich darauf einstellen, dass es möglich ist, dass in einer Region gleichzeitig mehrere Serotypen vorliegen. Wir kennen das aus Südeuropa, wo wir ja bereits ab 2003 gleichzeitig BTV2 und BTV4 bekämpfen mussten. Hier kamen u.a. inaktivierte, bivalente (Impfstoffe mit zwei Antigenen) Impfstoffe mit großem Erfolg zum Einsatz. Auf Grund dieses Erfolges entwickelt man derzeit auch Kombiimpfstoffe für die Serotypen 1 und 8.
Blickpunkt: Die Entwicklungszeiten für neue Impfstoffe liegen in der Regel zwischen fünf und sieben Jahren. Für die Blauzungenkrankheit wurden Impfstoffe im Rahmen von Sonderregelungen in relativ kurzer Zeit zur Verfügung gestellt. Wie wirksam und sicher sind diese Impfstoffe?
Dr. Schumacher: Alle bisher vorgenommenen kontrollierten Impfstofftests haben gezeigt, dass die in Europa zum Einsatz kommenden inaktivierten Impfstoffe eine hohe Wirksamkeit und eine hohe Verträglichkeit haben. Dies hat auch der Anfang 2008 in Mecklenburg-Vorpommern in Zusammenarbeit mit dem Friedrich-Loeffler-Institut durchgeführte Feldversuch bestätigt. Der überzeugendste Beweis ist natürlich der millionenfache, erfolgreiche Einsatz dieser Impfstoffe bei der Bekämpfung der Blauzungenkrankheit in Europa. Zwischenzeitlich sind die Impfstoffe zur Zulassung eingereicht.
Blickpunkt: Was unternimmt die Industrie, um auch zukünftig gut auf die Bekämpfung neuer Tierseuchen vorbereitet zu sein? Gibt es Initiativen, die Krankheitsvorsorge und Forschung auf EU-Ebene zu verbessern?
Dr. Schumacher: Die erfolgreiche Bekämpfung von Tierseuchen setzt voraus, dass alle Beteiligten – nationale Behörden und die EU-Kommission sowie die Zulassungsbehörden – eng mit den Impfstoffherstellern zusammenarbeiten. Wobei wir uns natürlich immer bewusst sein müssen, dass die Impfung nur eine der möglichen Bekämpfungsstrategien ist und durch weitere Maßnahmen der Seuchenbekämpfung ergänzt werden muss. Natürlich sollte man da, wo geeignete Impfstoffe vorhanden sind, der Impfung einen herausragenden Platz einräumen.
Diesen Ansatz hat ja auch die Europäische Kommission mit ihrer neuen Tiergesundheitsstrategie „Vorbeugen ist die beste Medizin“ aufgegriffen. Auch die Einrichtung von Impfstoffbanken für die verschiedenen Serotypen ist sinnvoll, um zeitnah auf neue Ausbrüche reagieren zu können.
Auch mit der im Jahr 2005 gegründeten Europäischen Plattform für globale Tiergesundheit (ETPGAH) wurde ein erster Schritt unternommen, Wissenschaftler von beispielsweise nationalen Forschungsinstituten, Universitäten und der Industrie an einen Tisch zu bringen, um so gemeinsam schneller Lösungen für neue Erkrankungen zu erarbeiten.
Die Plattform hat auch dazu beigetragen, dass im Falle der Blauzungenkrankheit die mit einbezogenen Zulassungsbehörden, wie die europäische Zulassungsbehörde EMEA, hochflexibel und unbürokratisch die Entwicklung der Impfstoffe begleitet und damit eine frühe Risikoeinschätzung ermöglicht haben.