Das aktuelle Interview: Ohne Innovation kein Fortschritt für die Praxis

Strukturwandel prägt die Veredlungsproduktion – Unnötige Reglementierung hemmt Wirtschaftlichkeit

Anlässlich der diesjährigen Mitgliederversammlung des Bundesverbandes für Tiergesundheit (BfT) wurde Jörg Hannemann, Geschäftsführer der Virbac Tierarzneimittel GmbH Bad Oldesloe, zum neuen Vorsitzenden des BfT gewählt. Der Blickpunkt sprach mit Jörg Hannemann über aktuelle Entwicklungen und die Aufgaben der Tiergesundheitsindustrie in sich wandelnden Märkten.

Blickpunkt: Herr Hannemann, Sie wurden gerade zum neuen Vorsitzenden des BfT gewählt. Sie übernehmen diese Aufgabe in einer Zeit, die von starken Veränderungen in der Landwirtschaft geprägt ist. Besonders betroffen ist die Veredlungswirtschaft, und damit die für den BfT wichtige Klientel der Veterinäre und Landwirte. Welchen Weg wird die moderne Landwirtschaft Ihrer Einschätzung nach einschlagen?

Hannemann: Die Agrarbranche hat gerade eine Phase sehr intensiven Wachstums hinter sich gebracht. Deutschland hat sich vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur entwickelt. Dieser Strukturwandel wird sich weiter fortsetzen, wenn auch in abgeschwächter Form.

Eine offene Frage ist derzeit, wie sich beispielsweise die Wettbewerbsfähigkeit der Milchviehhaltung nach dem Wegfall der Milchquote entwickeln wird. Ich sehe das positiv. Im Geflügelbereich hat die deutsche Landwirtschaft schon einmal gezeigt, zu welchen Leistungen sie fähig ist. Die Auswirkungen veränderter politischer bzw. gesetzlicher Rahmenbedingungen, die sich im Moment abzeichnen, sind dagegen nur schwer abzuschätzen.

Blickpunkt: Wie muss die Tiergesundheitsindustrie auf die zu erwartenden Entwicklungen reagieren?

Hannemann: Egal wohin sich die deutsche Landwirtschaft in Zukunft bewegen wird, gesunde Tiere bilden weiterhin die Grundlage für eine wirtschaftliche Veredlungsproduktion.

Neben einer verbesserten Produktionstechnik wird deshalb die Gesundheitsvorsorge, beispielsweise mittels innovativer Impfstoffe, von elementarer Bedeutung bleiben. Aber auch der verantwortungsvolle Einsatz von Antibiotika ist nach wie vor ein unverzichtbarer Bestandteil im Werkzeugkasten der Veterinäre. Durch Innovationen im Impfstoffbereich wird der Antibiotikaverbrauch jedoch weiter tendenziell zurückgehen. Damit liegen die Anstrengungen der Tiergesundheitsindustrie ganz im Trend der öffentlichen Diskussion.

Moderne Therapiemaßnahmen etablieren sich auch verstärkt im Kleintierbereich. Dieser Markt ist von einem hohen Innovationsgrad durchdrungen. Daran haben Impfstoffe einen hohen Anteil, aber auch neue Ansätze bei der Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen oder moderne Schmerztherapien.

Blickpunkt: Der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung war und ist auch derzeit wieder national und EU-weit ein großes Thema. Eingeschlossen in die Diskussion ist die Betrachtung der Vertriebswege für Tierarzneimittel sowie das Thema Resistenzen. Welche Antworten kann die Tiergesundheitsindustrie auf diese Fragen geben?

Hannemann: Die Industrie bekennt sich unmissverständlich zum Dispensierrecht, weil sich dieses Abgabesystem in der Vergangenheit sehr gut bewährt hat. Hinsichtlich der Erfassung der Abgabemengen sind wir auf einem guten Weg. Die Industrie macht hier zuverlässige und transparente Angaben. Resistenzmonitoringprogramme sind in Deutschland seit langem etabliert.

Wünschenswert bleibt, dass die Diskussion wieder auf eine fachliche Ebene zurückgeführt wird. Effekthascherei und Politisierung wissenschaftlicher Themen führen zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.

Blickpunkt: Wo sehen Sie weitere Schwerpunkte der Verbandsarbeit in den nächsten beiden Jahren?

Hannemann: Ich sehe eine der wichtigsten Aufgaben darin, gemeinsam mit anderen Stakeholdern den Gedankenaustausch zu intensivieren, besonders mit Blick auf den dringend erforderlichen Bürokratieabbau. Von der Industrie werden ständig Innovationen zur Lösung neu auftretender Probleme eingefordert. Diesem Anspruch können wir nur gerecht werden, wenn Fragen beispielsweise zur Zulassungsdauer, zur Harmonisierung der Zulassungen innerhalb Europas oder zum Unterlagenschutz zufriedenstellend beantwortet werden. Dafür werde ich mich einsetzen.

Zur Person

Jörg Hannemann hat an der Christian-Albrechts-Universität Kiel Agrarwissenschaften studiert und das Diplom abgelegt. Im Anschluss an das Studium hatte er verschiedene Positionen im Marketing, Vertrieb und Controlling im Bereich Schweinehybridzucht inne.

Seit Oktober 1999 ist Jörg Hannemann Geschäftsführer der Virbac Tierarzneimittel GmbH, Bad Oldesloe. Er ist seit zehn Jahren Mitglied des BfT-Vorstandes und arbeitete intensiv in den BfT-Gremien mit.