Das aktuelle Interview: Der Dialog bleibt wichtig

Das zurückliegende Jahr war erneut ein Jahr des konstruktiven Dialogs, geprägt durch den aktiven Austausch mit den Stakeholdern der Agrarbranche

Zentrale Themen waren die Revision der regulatorischen Rahmenbedingungen in der EU und die Kontrolle der antimikrobiellen Resistenz. Der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier, aber auch der Umwelt sind hier hohes Gut. Hierzu sind Impulse zur Innovationsförderung dringend erforderlich. Der Blickpunkt sprach mit der Geschäftsführerin des Bundesverbandes für Tiergesundheit (BfT), Dr. Sabine Schüller, über den Stand der Tierarzneimittelverordnung.

Blickpunkt: Die Revision des europäischen Tierarzneimittelrechts hat die Tiergesundheitsindustrie im zurückliegenden Jahr besonders beschäftigt. Wie beurteilen Sie die aktuellen Inhalte des Regelwerkes?

Dr. Sabine Schüller: Auf dem Tisch liegen die Kommissionsvorschläge zur Tierarzneimittelverordnung und der Arzneifuttermittelverordnung. Im Großen und Ganzen unterstützt die Industrie die Ziele dieser Vorschläge. Im Kern sind dies: die bessere Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln, ein verringerter administrativer Aufwand, ein besser funktionierender Binnenmarkt, ein günstiges Umfeld für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sowie Maßnahmen zur Kontrolle der Antibiotikaresistenz. Es ist von großer Bedeutung, unsere Positionen einzubringen, denn die neuen Verordnungen werden den Rahmen für die nächsten 15 bis 20 Jahre festlegen. 

Mit Sorge betrachten wir die weitgehenden Forderungen zur Umweltsicherheit von Tierarzneimitteln, die aus den Reihen des Europaparlaments gestellt werden. Zum einen stehen sie nicht im Verhältnis zur Sicherheit der Produkte und zum anderen würden sie umfangreiche Studien erfordern, deren Aufwendungen nicht durch einen Unterlagenschutz abgedeckt sind. Entsprechend der möglichen Aufwendungen für Untersuchungen zur Umweltsicherheit und auch zu Antibiotika würden wir einen verbesserten Unterlagenschutz sehr begrüßen. 

Blickpunkt: Wo sehen Sie die Prioritäten für die Tiergesundheitsindustrie?

Dr. Sabine Schüller: Das sind eindeutig die Bereiche Innovationsförderung und Bürokratieabbau, im Detail wie bereits angesprochen die Verbesserung des Unterlagenschutzes, insbesondere für ergänzende Daten, sowie die umfangreichen Zulassungsvorgaben, die derzeit noch sehr hohe Kosten verursachen und enorme Zeit in Anspruch nehmen. Der administrative Aufwand ist momentan doppelt so hoch wie im Humanbereich und entspricht rund 13 Prozent des Jahresumsatzes der Branche. Dies liegt u. a. auch an den unterschiedlichen Interpretationen der Richtlinien, die ein ständiges Nachjustieren erfordern. 

Der administrative Aufwand im Bereich Pharmakovigilanz wurde in Europa für 2010 mit 240 Millionen Euro geschätzt und ist in den letzten fünf Jahren weiter gestiegen. 

Blickpunkt: Wo sehen Sie Änderungsbedarf?

Dr. Sabine Schüller: Wir brauchen dringend eine Harmonisierung des Tierarzneimittelrechts. Nur so lässt sich der administrative Aufwand spürbar senken. Die Öffnung des zentralen Verfahrens ist nur ein erster, kleiner oder besser zu kleiner Schritt. Unser ursprüngliches Ziel eines Dossiers, einer Bewertung und einer Marktzulassung lässt sich aktuell nicht mehr realisieren. 

Europa – das sind inzwischen 28 Mitgliedstaaten mit 42 Zulassungsbehörden und vier unterschiedlichen Verfahren – agiert in einem Umfeld, das enorme Ressourcen in der Tiergesundheitsindustrie bindet. Der hohe Bürokratieaufwand schwächt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und hemmt jegliche Innovation, die wir aber dringend benötigen, um den Anforderungen gerecht werden zu können.

Blickpunkt: In diesem Zusammenhang ist der verantwortliche Umgang mit Antibiotika nach wie vor ein großes Thema?

Dr. Sabine Schüller: Ja, und das wird es auch bleiben. Mit dem durch die 16. AMG-Novelle verankerten Antibiotika-Monitoring auf Betriebsebene wurde zwar national ein Instrument geschaffen, um die Antibiotikaanwendung betriebsindividuell zu erfassen und dem Landwirt Handlungsempfehlungen zu geben. Zeitnah wären jedoch noch einige Korrekturen bei der Bestimmung des Therapiehäufigkeitsindexes sinnvoll. Insgesamt sollten wir aber nun die Instrumente wirken lassen und mit Augenmaß handeln. Im Sinne einer effektiven Resistenzkontrolle müssen die therapeutischen Möglichkeiten für eine fachgerechte Antibiose unserer Tiere erhalten bleiben. Wichtig ist, dass sich sowohl Human- als auch Veterinärmedizin im Sinne des Aktionsplans der EU-Kommission und der Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie (DART) engagieren, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.