Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung – ein Faktencheck
Umfangreiches Regelwerk
Die Zunahme antimikrobieller Resistenzen stellt das Gesundheitswesen vor eine große Herausforderung. Die Tiergesundheitsindustrie sieht es als wichtige Aufgabe an, Verantwortung wahrzunehmen und zur Kontrolle der Resistenzentwicklung beizutragen, um Antibiotika als effektives therapeutisches Mittel bei Mensch und Tier zu erhalten.
Eine pauschale Reduktion der Antibiotikaeinsatzmenge ist nicht gleichzusetzen mit einer Vermeidung von Resistenzen. Dies könnte sogar das Gegenteil bewirken. Wesentlich ist es, Antibiotika zielgerichtet einzusetzen, um zur Resistenzvermeidung und zur Lebensmittelsicherheit beizutragen.
In der Diskussion oft vergessen
Mit öffentlichen und privatwirtschaftlichen Maßnahmen wird die Resistenzentwicklung bei Bakterien engmaschig kontrolliert. So umfasst die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) der Bundesregierung Maßnahmen zu wichtigen Ansatzpunkten für die Human- und Tiermedizin. Diese reichen von der Erfassung der in der Veterinärmedizin verbrauchten Antibiotikamengen über Einschränkungen und Leitlinien zur Abgabe und Anwendung bis hin zum Resistenzmonitoring und der Erfassung von Resistenzdaten bei der Zulassung von Tierarzneimitteln.
Zur Minimierung der Resistenzbildung setzen sich Landwirte, Tierärzte und Tiergesundheitsunternehmen für einen verantwortlichen Umgang mit Antibiotika ein. Die Meldung der Abgabemengen und die Bestimmung von Therapiehäufigkeiten auf Basis der Verbrauchsmengenerfassung von Antibiotika, die mit der Änderung des Arzneimittelgesetzes (16. AMG-Novelle) seit dem 1. Juli 2014 eingeführt worden sind, sind Elemente der Strategie zur Kontrolle der Resistenzbildung. Hinzu kommt ein Monitoring der Resistenzlage bei Bakterien von Mensch und Tier. Antibiotikaleitlinien, herausgegeben durch die Bundestierärztekammer in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Veterinärbeamten (ArgeVet), unterstützen praktizierende Tierärzte im sorgfältigen Umgang mit Antibiotika und ergänzen die arzneimittelrechtlichen Vorschriften.
Mehr unter Abgabemengen, Verbrauchsmengen und Therapiehäufigkeiten in der Tiermedizin streng kontrolliert
Antibiotikaabgabemengen in der Tiermedizin rückläufig
Tierärzte setzen deutlich weniger Antibiotika ein. In 2024 hat sich die Gesamtmenge im Vergleich zum Jahr 2011 (1706 t) auf einem sehr niedrigen Niveau stabilisiert. Ingesamt fand eine Reduktion um 67% statt. Durch ein umfassendes Tiergesundheits- und Hygienemanagement kann der Landwirt mit seinem betreuenden Tierarzt Krankheiten verhüten. Dies dient dem Tierwohl und der nachhaltigen Produktion sicherer Lebensmittel. Die Grafik verdeutlicht die Reduktion der Antibiotikaabgabemengen durch Minimierungskonzepte, die auf den Prinzipien des verantwortungsvollen Umgangs mit Antibiotika fußen. Hier finden Sie auf der Internetseite des BVL die aktuellen Zahlen.
Auch EU-weit hat sich der Absatz von Antibiotika zur Behandlung von Tieren in den vergangenen Jahren beinah halbiert. Die EMA hat im November 2022 hierzu den 13. Jahresbericht über die Europäische Überwachung des Verbrauchs antimikrobieller Mittel in der Veterinärmedizin (ESVAC) veröffentlicht. Die Daten bestätigen den Trend der vergangenen Jahre mit einer signifikanten Reduktion der Antibiotikaanwendung um 53% seit 2011 und um 12,7% zum Vorjahr. Mit einem Rückgang um 28,3 % zwischen 2018 und 2021 wurde bereits mehr als die Hälfte des für 2030 gesetzten Ziels unter dem Green Deal einer Reduzierung der aggregierten Verkäufe für alle EU-Mitgliedstaaten um 50 % erreicht. Stark zurückgegangen sind in diesem Zeitraum die Umsätze bei Antibiotika, die von der EMA Antimicrobial Advice Ad Hoc Expert Group (AMEG) in Kategorie B und als sehr bedeutend für die Humanmedizin eingestuft werden. Ihr Anteil macht nur noch weniger als 6% aus.
Der 13. ESVAC-Bericht ist die letzte Zusammenstellung in der Systematik. Es erfolgte eine Umstellung auf die EU-weit einheitliche Erfassung der Antibiotikaanwendung mit der schrittweisen Erfassung aller signifikanter Tierarten bis Ende des Jahrzehnts. Zusammen mit der Erfassung der Abgabemengen ist dies in das neue Berichtssystem ESUAvet (European Sales and Use of Antimicrobials in veterinary medicine) eingegangen. Ende März 2025 wurde der erste Bericht nach der neuen Systematik publiziert. Die ESVAC Berichte und der ersten ESUAvet Bericht aus 2023 finden sich auf der Webseite der EMA.
So viel wie nötig und so wenig wie möglich!
Antibiotika sind ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung bakterieller Infektionen - auch bei Tieren. Die Tiergesundheitsindustrie setzt sich nachdrücklich für den verantwortungsbewussten Umgang mit Antibiotika ein. Video (YouTube)
Verpflichtungen und Maßnahmen bei Antibiotikaeinsatz
In einer Erklärung zu "Verpflichtungen und Maßnahmen bei Antibiotikaeinsatz" hat HealthforAnimals, der Weltverband der Tiergesundheitsindustrie fünf grundlegenden globale Prinzipien für die Verwendung von Antibiotika beschrieben. Diese Erklärung wird von Organisationen unterstützt, die mehr als 200 Unternehmen und 700.000 Tierärzte weltweit vertreten.
Fahrplan zur Reduzierung des Antibiotikabedarfs
Die HealthforAnimals-Roadmap, die 2019 auf den Weg gebracht wurde, umreißt die Vision der Tierarzneimittelindustrie zum Erhalt wirksamer Antibiotika und zeigt, wie eine verbesserte Prävention, Erkennung und Behandlung von Tierseuchen den Bedarf an Antibiotika senken und gleichzeitig das Wohlergehen der Tiere schützen kann. Der Plan sieht 25 messbare Maßnahmen vor, die die Mitglieder des Weltverbandes bis 2025 verbindlich erreichen wollen, um dieses Ziel zu unterstützen. Insgesamt sind alle Verpflichtungen auf dem Weg, bis 2025 abgeschlossen zu werden, und einige liegen deutlich vor dem Zeitplan. Daher prüft der Sektor derzeit, wie er seine Verpflichtungen in den kommenden Jahren noch weiter ausbauen kann. Zum Stand informiert ein Roadmap Progress Report.
Tiergesundheit im Milchkuhbestand
Mastitisbehandlung und Trockenstellen unter Antibiotikaschutz von Milchkühen - Nicht immer ist ein Antibiotikaschutz notwendig
Hintergrund
Verantwortungsvoller Einsatz von Antibiotika - EPRUMA Leitfaden
Der Leitfaden der europäischen Plattform für den verantwortungsbewussten Einsatz von Tierarzneimitteln, EPRUMA behandelt Grundlagen der Antibiotikatherapie sowie Grundsätze bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten und der Anwendung antimikrobieller Wirkstoffe bei Lebensmittel liefernden Tieren in der EU. Wesentliche Eckpunkte sind angemessene Haltungsbedingungen, eine gute Kommunikation zwischen Landwirt und Tierarzt und die Dokumentation. Der Leitfaden richtet sich an Tierärzte und Tierhalter gleichermaßen.
Impulse zu Krankheitsvorbeuge und Antibiotikareduktion: Gemeinsamer Bericht von FAO und HealthforAnimals
Gemeinsam mit der der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat HealthforAnimals einen Bericht mit dem Titel „How Prevention can Reduce the Need for Antibiotics“ veröffentlicht.
Im Bericht werden:
- Instrumente und Praktiken dargestellt, die den Bedarf an antimikrobiellen Mitteln in der Tierproduktion reduzieren können, wie z. B. Impfungen, Biosicherheit, Genetik, digitale Technologien und mehr
- Daten zusammengestellt zu den erzielten Erfolgen, einschließlich Reduzierungen auf betrieblicher, nationaler und regionaler Ebene sowie zur verstärkten Nutzung von Impfstoffen und über das Management von Resistenzen
- Fallstudien beschrieben, die zeigen, wie Prävention durch Projekte vor Ort und sektorübergreifende Zusammenarbeit umgesetzt wurde
Dieser Bericht soll dazu beitragen, neue Wege zur besseren Vorbeugung von Tierkrankheiten zu finden, um so den Bedarf an antimikrobiellen Mitteln zu verringern, das Wohlergehen der Tiere zu gewährleisten und ein nachhaltigeres Agrar- und Ernährungssystems zu realisieren. Der Bericht „How Prevention can Reduce the Need for Antibiotics“ kann bei der FAO online abgerufen werden.
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Weitere Informationen:
Bundesverband für Tiergesundheit e.V.
Dr. Sabine Schüller
E-Mail bft@bft-online.de